Bestimmt denkst Du Dir bei der Überschrift: Was hat ein Elefant mit dem Thema Mobility, Schmerzreduktion und Bewegung zu tun? Die Analogie „Finde den Elefanten im Raum“ schnappte ich vor vielen Jahren zum ersten Mal bei einem CrossFit®-Seminar auf. Dort bestand für uns als angehende CrossFit-Trainer die Aufgabe in einer Gruppe von mehr als 15 trainierenden Menschen den Elefanten zu finden. Der Elefant war dabei nicht der größte, korpulenteste Mensch in der Gruppe, sondern derjenige mit dem größten Fehler- und damit Verletzungspotential während der Übung Kreuzheben. Unsere Aufgabe bestand also darin, in einer großen Gruppe das größte „Sicherheitsrisiko“ zu finden und auszuschalten – mit guten Coaching-Tipps, versteht sich.
Das RESET Prinzip dahinter lautet: Finde den Elefanten im Raum.
Die Jagd nach dem Elefanten ist demnach eine gezielte Suche nach den größten Fehlern, Abweichungen von der Norm und dem Suchen und Finden von Gefahrenquellen.
Diese Analogie hat es in sich. Denn sie ist perfekt auf das Thema Bewegungseinschränkungen und Verletzungen zu übertragen. Finden wir den Elefanten im Raum, also die größte Baustelle bzw. das größte Gefahrenpotential innerhalb eines Systems (hier: der menschliche Körper), so benennen wir die Stelle mit dem größten Potential für die Verbesserung von Einschränkungen und die Verletzungsminimierung.
In seinem Buch „The One Thing“ (Leseempfehlung!) beschreibt Gary Keller den Elefanten als „The One Thing.“ Das beiliegende Mantra sollte sich jeder auf den Badezimmerspiegel schreiben und täglich vor Augen führen:
» Was ist die eine Sache, die ich tun könnte, sodass alles andere einfacher oder unnötig werden würde? «
Diese Fragestellung ist ein wahrer Gamechanger. Wenn wir die eine Sache – den Elefanten – finden und uns genau darum kümmern, werden viele weitere Schritte einfacher oder gar unnötig.
Ein Beispiel aus meinem Erfahrungsschatz:
Einen Kraftsportler – nennen wir ihn Mark – plagen seit Wochen Schmerzen im rechten Kniegelenk. Auf der Suche nach Lösungen für seine Problematik klappert er einige Ärzte und Therapeuten ab. Die Tendenz der Befunde: Verschleiß des Knorpels. Einige der aufgesuchten Experten sprechen sogar von Operation. Doch der MRT-Befund ist nicht wirklich aussagekräftig, die Schmerzen kommen eher sporadisch und sind schwer zu quantifizieren. Auch die behandelnden Therapeuten sind sich nicht einig: Einige sagen ebenfalls Verschleiß, andere schieben es auf das Schuhwerk, wieder andere nennen gar fasziale Verklebungen als Grund für die Probleme. Dennoch helfen die verschriebenen Übungen nicht wirklich. Mark ist verunsichert und landet schließlich für eine Personal Training Stunde bei mir.
Was ich ihm erkläre: Unsere Gelenke sind einer Wirkungskette unterlegen. Zehen, Füße, Sprunggelenke, Knie und Hüfte und viele weitere Strukturen arbeiten immer im Verbund. Funktioniert eine Struktur nicht korrekt, so müssen weitere Strukturen diese Dysfunktion kompensieren und die Probleme sind vorprogrammiert. Das Knie nimmt dabei oft eine Sonderrolle ein. Vereinfacht dargestellt ist das Knie das Kind, auf dem der Streit zwischen seinen Eltern ausgetragen wird. Die Eltern sind dabei Hüfte und Sprunggelenk. Ein Video hierzu findest Du im Online-Bonusbereich.
Unsere Sprunggelenke verlieren ihre fundamentalen Funktionen, da sie im Alltag meist nicht intensiv gebraucht werden. Zusätzlich verliert die Hüfte an Rotationsfähigkeit. Bei einem Kugelgelenk wie der Hüfte führt das des Öfteren zu Problemen. Du erinnerst Dich sicherlich an Deinen großen Zeh, der sich nicht vom Boden abheben lässt. All das klingt einleuchtend.
Doch wo ist nun der Elefant? Bei Mark war es nicht schwer auszumachen: Die Innenrotation der rechten Hüfte war deutlich eingeschränkt. Zusätzlich benötigte das rechte Sprunggelenk etwas mehr Bewegungskapazität. Und tatsächlich: Nach einigen Wochen des angepassten Trainings mit den richtigen Übungen wurden die Probleme weniger, die Schmerzen waren verschwunden. Haben wir den Elefanten gefunden? Auf alle Fälle. Sogar einen großen und zusätzlich noch einen Baby-Elefanten. Ist es immer so leicht wie in diesem Beispiel? Auf keinen Fall. Denn Schmerz ist multifaktoriell und Probleme können sehr vielfältig sein.
Eine weitere Frage, die sich jeder Mensch stellen sollte:
Bringt mein Körper die Grundvoraussetzungen für meine Sportart und meinen Alltag mit?
Diese Frage ist die Basis für langfristige Trainingserfolge mit bestmöglicher Verletzungsminderung.
Du bist Läufer und Dein Fußgewölbe plagt Dich? Eventuell ist das ein Elefant.
Du bist Fußballer und Deine Oberschenkelrückseite ist sehr oft verspannt? Möglicherweise ein Elefant.
Du machst CrossFit und Deine Brustwirbelsäule lässt sich nicht komplett aufrichten? Ganz sicher ein Elefant!
Ein Elefant kann dabei auch eine Problematik sein, die noch nicht zu einer Verletzung bzw. zu Schmerzen geführt hat. Umso besser ist es, wenn Du den Elefanten findest, bevor er alles kaputt trampelt. Das spart Zeit, Geld und eine Menge Arbeit.
Prävention schlägt Rehabilitation.
Während meiner Arbeit als Personal Trainer habe ich in den letzten Jahren mehr als 150 Einzelpersonen analysiert und ein Assessment mit ihnen durchgeführt. Hinzu kommen mehrere Tausend Stunden Gruppencoaching in meinem Studio CrossFit Black Forest. In diesen Stunden sind beim Assessment folgende Einschränkungen besonders häufig aufgetreten:
Brustwirbelsäule
Es waren vor allem Streckung und Rotation Faktoren, welche von vielen Trainierenden nicht optimal durchzuführen waren. Diese Entdeckung ist nicht verwunderlich, da Streck- und Rotationsbewegungen der Brustwirbelsäule nur wenig im Alltag zu finden sind. Ein Training dieser Bewegungen sorgt deshalb bei beinahe allen für eine verbesserte Mechanik, Haltung und Leistungsfähigkeit.
Hier findest Du ein Video mit Übungen zur Verbesserung der Ansteuerung der Brustwirbelsäule.
Hüfte und Schultern
Bei den Assessments der Hüfte und Schultern zeigte sich bei vielen eine Einschränkung der Innenrotationsfähigkeit. Auch hier fehlt den meisten die alltägliche Belastung. Die Innenrotationskapazität der Hüfte als Kugelgelenk fällt dabei besonders schwer ins Gewicht. Fehlt diese bzw. ist deutlich eingeschränkt, kompensieren wir diverse Bewegungsmuster in Training und Alltag. Ein Kugelgelenk wie die Hüfte sollte deshalb definitiv dreidimensional getestet und trainiert werden. Das Gleiche gilt für die Schultern als beweglichstes Gelenk im Körper.
Folgende Videos können Dir helfen Deine Einschränkungen in den Griff zu bekommen: Mobility für die Hüfte & Mobility für die Schulter
Oberschenkelrückseite
Meist findet sich im Bereich der Oberschenkelrückseite wenig Bewegungsrepertoire, hohe Spannung und Angst vor Zerrungen oder anderen Verletzungen. Einseitige Bewegungsmuster könnten der Grund hierfür sein. Vor allem aber scheint der chronische Bewegungsmangel der Hauptfaktor zu sein. Denn: Die Oberschenkelrückseite reagiert sehr gut auf Bewegungsreize und lässt sich meist schnell mit gezielten Übungen beweglicher und stärker machen.
Hier ist ein Beitrag zu diesem Thema.
Diese Auswahl stellt nur einen kleinen Teil der gängigsten Einschränkungen dar. Auch die Sprunggelenke und die Atmung sind bei vielen meiner Athleten verbesserungsbedürftig.
Es gilt: Assess, don’t guess.
Mein Tipp: Finde den Elefanten im Raum; also die größte Baustelle im Körper. Und nein: Nicht der ganze Körper ist eine Baustelle. Diese Sprüche kommen immer. Vielleicht ist dann das Mindset die größte Baustelle? Auch hier kann interveniert werden.
Mehr zum Elefant im Raum und die anderen RESET Prinzipien erfährst Du in meinem Buch “Reha darf sexy sein”.
Wer mehr weiß, kann mehr bewegen.
Bleib geschmeidig!
Dein Coach Benni